Festtafel "Eine Welt"

 
Ansprache von Ingrid Hoffmann,
Vorsitzende des Förderkreises am KBBZ Halberg,
anlässlich der Ausstellungseröffnung am 07. Dezember 2005


Liebe Gäste, liebe Kollegen,
liebe Schülerinnen und Schüler,

ich begrüße Sie heute hier um an einer ganz besonderen Festtafel Platz zu nehmen. Wenn man zu einer Festtafel eingeladen wird, erwartet man sicherlich einen weiß gedeckten Tisch mit Kerzen, mit Gläsern für verschiedene Weinsorten, Tafelsilber, Blumenarrangements, vor allem aber ein Festmenü. Doch wir bitten Sie heute zu einer anderen Tafel. Schon beim Platznehmen wird Ihnen klar, dass auch im 21. Jahrhundert die kulinarischen Schätze dieser Welt immer noch nicht gerecht verteilt sind.

Hat man in den 80er- und 90er-Jahren oft in den Nachrichten über Hungersnot, Krieg und Vertreibung in der Dritten Welt berichtet, stehen heute Wirtschaftskrisen, Konflikte nach dem Irak-Krieg, internationale Terrorismusbekämpfung und nicht zuletzt Naturkatastrophen, die die Welt in dem letzten Jahr heimgesucht haben, im Vordergrund. Sicherlich Themen, die uns alle betroffen machen, aber auch gezeigt haben, wie groß die Spendenbereitschaft in Deutschland und den anderen Industrienationen ist. All das darf aber nicht dazu führen, zu vergessen, dass über 800 Millionen Menschen in dieser Welt von Hunger, Armut und chronischer Unterernährung betroffen sind.

Beim Millenniumsgipfel in New York vor fünf Jahren wurden auf höchster politischer Ebene anspruchsvolle Vorgaben für eine Entwicklungspolitik formuliert. Eines dieser Ziele war, die Zahl der Hungernden bis 2015 zu halbieren. Von diesem Ziel sind wir heute noch weit entfernt.

Die größten Hindernisse zu einer Welt ohne Hunger liegen häufig in strukturellen Begebenheiten begründet und zeigen sich in fehlendem Zugang zu den Ressourcen wie Land, Wasser und Krediten sowie in mangelnder Kaufkraft oder fehlendem Zugang zu einem guten Bildungssystem. Aber auch die weltweiten Militäreinsätze der letzten Jahre im Kosovo, in Afghanistan und im Irak gehen zu Lasten dieser Entwicklungspolitik, zu Lasten von Armutsminderung und Hungerbekämpfung.

Obwohl aufgrund zunehmend weltweiter Vernetzung und zunehmendem technischen Fortschritt sowie zunehmender Liberalisierung des Welthandels schneller Informationen, Waren und Kapital ausgetauscht werden können, hungern, wie ich bereits am Anfang erwähnt habe, Millionen von Menschen weiterhin. D. h. an dieser Stelle muss man sich die Frage stellen: Wem dient dieser technische Fortschritt, diese Globalisierung von der immer wieder gesprochen wird? Sicherlich denen, die in diesem Verbund am besten situiert sind. Dabei wird oft die Not der anderen vergessen.

Deshalb freut es mich, dass Herr Jirasek diese Ausstellung für unsere Schule organisieren konnte. Immer wieder gelingt es ihm mit neuen Ideen bei unseren Schülern ein Bewusstsein der Solidarität und Hilfsbereitschaft zu wecken. Vielen Dank für Ihr Engagement!

Ich hoffe, dass diese Ausstellung und die damit verbundenen Gedanken Ansporn für unsere Schüler und aber auch die Kollegen sind, sich noch einmal mehr für die Bekämpfung des Hungers zu engagieren, zumindest mit kritischeren Augen durch die vorweihnachtliche Zeit zu gehen, die immer mehr durch Hektik und Einkaufsstress geprägt ist.

Ich selbst habe mich natürlich auch jetzt noch einmal intensiver mit diesem Thema auseinandergesetzt und bin bei meinen Recherchen auf ein Zitat eines unbekannten Autors gestoßen mit dem ich schließen möchte:

"Erst wenn der letzte Hunger auf der Welt gestillt ist, haben wir gelernt, was gewachsen ist, richtig zu verteilen."


 

Ansprache von Josef Jirasek,
Religionslehrer am KBBZ Halberg und Initiator der Ausstellung,
anlässlich der Ausstellungseröffnung am 07. Dezember 2005

"Ein Rabbi fragte seinen Schüler: 'Wann beginnt der Tag?'
Der Schüler sagte: 'Wenn ich die Terebinthe nicht mehr mit der Palme verwechsle.'
'Das genügt nicht', antwortete der Meister.
Darauf der Schüler: 'Vielleicht, wenn ich zwischen Schäferhund und schwarzem Schaf unterscheiden kann.' Der Rabbi: 'Das reicht auch nicht.
Erst wenn Du im Antlitz irgendeines Menschen Deinen Bruder oder Deine Schwester erkennen kannst, dann ist es Tag geworden."

Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Gäste,

zum zweiten Mal stehen und sitzen wir hier. Zum zweiten Mal innerhalb relativ kurzer Zeit. Zum zweiten Mal eröffnen wir eine Ausstellung und zum zweiten Mal ist das nichts Selbstverständliches. Das, worüber wir uns hier Gedanken machen.

Die Tafel ist gedeckt. Die Festtafel dieser einen Welt. Der Welt, die wir alle bewohnen. Hier in Deutschland oder sonst irgendwo. Der Welt, die wir alle bewirtschaften, hier bei uns oder irgendwo sonst. Was uns alle verbindet, das ist klar: Menschen hier wie dort. Was uns unterscheidet, können wir vielleicht nur wahrnehmen, wenn wir eigene Erfahrungen sammeln. Wenn wir unsere Lebenssituation vergleichen mit der von irgendjemand Anderem.

Auf Unterschiede hinzuweisen, das hat sich diese Ausstellung zur Aufgabe gemacht. Sie werden benannt in den Statistiken über die Länder oder über die Verteilung des Lebensmittels Wasser, sie werden angedeutet auf dem großen Wandbehang. Aber sie werden eben auch ein wenig spürbar an der Tafel selbst. Und vielleicht sollten wir jeden Stuhl auch mal ausprobiert haben. Außer dem ganz großen. Den haben Schülerinnen und Schüler nachträglich gebaut. Und der will, zumindest ein wenig, die Unterschiede bezüglich des Bruttosozialproduktes in den verschiedenen Ländern verdeutlichen. Er tut dies nur ein wenig. Würde man ihn in seiner wirklichen Größe darstellen, dann würde der Rahmen hier im Forum des KBBZ Halberg im wahrsten Sinne des Wortes gesprengt. Denn das Bruttosozialprodukt der BRD ist 40 Mal größer als das der ärmsten hier dargestellten Länder. So viel zu den wahren Unterschieden.

Wenn für uns hier am Ende dann übrig bleibt, dass wir in jedem Menschen einen Bruder oder eine Schwester erkennen können, mit denen wir das Leben hier auf dieser Welt gemeinsam teilen und gestalten, dann hat die Ausstellung doch einen Zweck bereits erfüllt. Dann mag der Tag beginnen.

Ich wünsche allen ein nachdenkliche, eine nachdenkenswerte Ausstellungsbesichtigung.


Nach der Eröffnung

Der überdimensionierte Stuhl im Vordergrund steht für das Bruttosozialprodukt der BRD,
das 40 Mal größer ist als das der ärmsten hier dargestellten Länder.