„Auslandspraktika für alle!“
Auszubildende sammeln seit 30 Jahren wertvolle Auslandserfahrung in Frankreich
Bonjour
Monsieur Fries, qu’est-ce que le travail?
(Was macht die Arbeit?)
Je
suis très occupé, mais c’est bon!
(Ich bin sehr beschäftigt, aber das ist gut so!)
Dass Sie so gut Französisch sprechen, ist sicher kein Zufall?
Danke für das Kompliment. Nach meinem Auslandspraktikum 1990 in Le Havre war mein Französisch auf dem Zenit. Dank der netten Hilfen meiner französischen Kollegen habe ich schnell dazugelernt. Ob Sie es glauben oder nicht, ich habe von der französischen Sprache sogar geträumt und selbst morgens beim Rasieren schwirrten mir noch Vokabeln und Sätze im Kopf herum.
Wie sind Sie auf das bilaterale Austauschprogramm aufmerksam geworden?
Meine Berufsschullehrer am KBBZ Halberg (Kaufmännisches Berufsausbildungszentrum Halberg, Saarbrücken) haben uns angeboten, an einem berufsbildenden Austauschprogramm mit Frankreich teilzunehmen. Sie haben schließlich auch unsere Chefs von der Relevanz dieses Projekts überzeugt. Den Austausch hat dann das vom BMBF geförderte „Deutsch-Französische Sekretariat“ sehr gut organisiert. Wir mussten uns als Schüler um nichts mehr kümmern, die Fahrt, die Unterkünfte und das ausbildende Unternehmen waren fest gebucht.
Was hat Sie gerade an Frankreich gereizt?
Sicher spielt die Nähe meines Heimatortes Saarbrücken zu Frankreich eine Rolle. Ich wäre aber auch gern nach Polen oder Großbritannien gegangen. Mich persönlich reizte vor allem, Auslandserfahrungen jenseits von Tourismus und Urlaub zu sammeln. Wie sieht der Alltag in einem anderen Land aus, wie geht man da miteinander um, werde ich den sprachlichen Anforderungen gerecht? Einfach gesprochen: Wie arbeitet man im Ausland und wie fühlt sich das an?
Wie sind Sie dann in der französischen Seehafenspedition empfangen worden?
Als ich morgens zur verabredeten Zeit in den Büros von UNISEAS erschien, wurde ich herzlich begrüßt und durfte gleich einem Mitarbeiter, einem gewissen Monsieur Hervé, über die Schulter schauen. Beeindruckend war, wie er die komplizierten Verladepläne für riesige Schiffe mit unzähligen Containern erstellt hat. So was hatte ich vorher noch nicht gesehen. Aus Deutschland kannte ich bis dahin nur die nationalen oder internationalen Landtransporte.
Welche Aufgaben hat er Ihnen dann anvertraut?
Ich habe Monsieur Hervé direkt zugearbeitet und so innerhalb kürzester Zeit einen guten Überblick über die komplexen Arbeitsabläufe erhalten. Ich habe aber auch gelernt, wie mit welcher Priorität Container im Schiff gestapelt werden müssen, damit die Verladearbeit auf ein Minimum begrenzt werden kann. Außerdem hielt die Geschäftsführerin von UNISEAS Hochschulvorlesungen zum Internationalen Handelsrecht, die ich besuchen durfte.
Wie war das Betriebsklima im Vergleich zu Deutschland?
Auffallend war damals für mich, dass sich die Mitarbeiter mit Küsschen rechts und links begrüßt haben. In Deutschland wäre das nicht vorstellbar. Alles in allem ging man sehr freundschaftlich und zugleich respektvoll miteinander um. Jeder war eine kleine Persönlichkeit. Das Verhältnis zur Geschäftsführung war in Frankreich distanzierter als ich es aus Deutschland kannte.
Konnten Sie mit Ihren Auslandserfahrungen später beruflich punkten?
Im Vorstellungsgespräch bei Volvo Trucks Region Central Europe war es sehr wichtig, Auslandserfahrung vorweisen zu können. Da konnte ich dann ein Zeugnis präsentieren, auf dem steht, dass ich bei einer französischen Seehafenspedition gearbeitet habe. Für Volvo wohl auch ein Beweis für meine interkulturelle Kompetenz. Die haben mir dann auch zugetraut, dass ich ein dreistündiges Meeting in Göteborg oder anderswo in der Welt bestreiten kann.
Gibt es Momente, in denen Ihre ersten Auslandserfahrungen noch eine Rolle spielen?
In ein anderes Land zu kommen und sich plötzlich in einer anderen Sprache behaupten und beweisen zu müssen, macht Sie für zukünftige Aufgaben flexibler und selbstbewusster. Aber auch alles, was ich in Frankreich um die Sprache herum gelernt habe, das Erleben und das Zuhören, hat meine interkulturelle Kompetenz gestärkt. Das macht sich für mich heute noch bei Treffen mit Geschäftspartnern aus aller Herren Länder bezahlt.
Sie würden also jedem Auszubildenden ein Auslandspraktikum empfehlen?
Ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen. Ich würde Auslandspraktika für alle Auszubildenden zum Pflichtprogramm an den Berufsschulen machen. Vor dem Hintergrund des europäischen Binnenmarktes und der Globalisierung ist das extrem wichtig. Nur die wenigsten sind schon zur Schulzeit im Ausland gewesen. Mit den Austauschprogrammen für Auszubildende bekommt jeder eine neue Chance.
Neben dem europäischen Bildungsprogramm „Leonardo da Vinci“ existieren auch durch das BMBF geförderte bilaterale Austauschprogramme für Auszubildende mit einzelnen europäischen Staaten. Am umfangreichsten ist das deutsch-französische Austauschprogramm über das Deutsch-Französische Sekretariat in Saarbrücken. Weitere Programme werden über InWent durchgeführt: Stärkt das Programm „Training Bridge“ den berufsbildenden Austausch mit Großbritannien, so können Berufsstarter über die Initiativen „BAND“ und „Gjør det“ (Tu es!) Kontakt zu den Niederlanden und Norwegen knüpfen. Alle im Rahmen dieser Programme absolvierten Aufenthalte werden im europass Mobilität dokumentiert und erhöhen die Chancen bei künftigen Bewerbungen weltweit.